Keine Änderung der Regelung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht bei nicht autonom gebildetem Kindeswillen
In einer aktuellen Entscheidung äußerte sich der Bundesgerichtshof zu der Frage, wann eine Abänderung des Aufenthaltsbestimmungsrechts in Frage kommt. Voraussetzung hierfür ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs zum einen das Kindeswohl, aber auch der geäußerte Kindeswille. Was die Äußerung des Kindeswillens angeht, so ist es wichtig, dass dieser autonom gebildet wird. Wichtige Aspekte für die Beurteilung des Kindeswohls sind die Erziehungseignung der jeweiligen Eltern, die Bindungen, die das Kind an die Eltern hat, die Prinzipien von Kontinuität, sowie Förderung des Kindes und der Kindeswille selbst. Dies sind Einzelkriterien, die nicht nebeneinanderstehen, sondern jedes für sich ist im Einzelfall für die Beurteilung mehr oder minder von Bedeutung.

Kinder, die das 14. Lebensjahr bereits vollendet haben, sind im familiengerichtlichen Verfahren persönlich anzuhören, § 159 Abs. 1 FamFG. Jüngere Kinder können gehört werden, wenn das Gericht die persönliche Anhörung des Kindes für erheblich erachtet. Die Neigungen und die Bindungen, die ein Kind hat, sind genauso wichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls, wie der Kindeswille. Bei Kindern, die jünger als 14 Jahre alt sind, hat der Wille, den diese Kinder äußern, einen Erkenntniswert für den Tatrichter. Je älter ein Kind wird, desto mehr ist der eigene Wille auch Kennzeichen der sich entwickelnden Persönlichkeit. Der Bundesgerichtshof führt aber aus, dass der Kindeswille nur dahingehend zu berücksichtigen ist, dass er auch dem Kindeswohl entspricht.

Im vorliegenden Fall hatten die Kinder geäußert, dass sie statt bei der Mutter zukünftig beim Vater wohnen wollen. Dies führte unter Beachtung aller Gesamtumstände jedoch nicht dazu, dass dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder übertragen wurde. Grund war, dass im Rahmen der Gesamtumstände die negative Bindungstoleranz des Vaters Ausschlag dafür hatte, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht bei der Kindesmutter verblieb.

Praxishinweis: Der aktuelle Beschluss des Bundesgerichtshofs zeigt, dass der Kindeswille zwar erheblich ist, er aber in den Kontext und in die Gesamtwürdigung aller zu beurteilenden Umständen zu setzen ist. Erheblich ist auch das jeweilige Alter des Kindes, in dem der Wille geäußert wird.
BGH, Az.: XII ZB 511/18, Beschluss vom 27.11.2019, eingestellt am 31.01.2020