Häusliche Gewalt, Istanbul-Konvention, Umgang- und Sorgerecht
Am 11.05.2011 wurde von der Bundesrepublik Deutschland das Übereinkomme des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die sogenannte „Istanbul-Konvention“ unterzeichnet. Das Übereinkommen trat am 01.02.2018 in Deutschland in Kraft.

Zweck des Übereinkommens ist der Schutz von Frauen vor allen Formen von häuslicher Gewalt und Gewalt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einer Beschwerde im Jahr 2022 entschieden, dass die nationalen Gerichte die Istanbul-Konvention in Fragestellungen des Sorge- und Umgangsrechts zu berücksichtigen haben, wenn Fälle der häuslichen Gewalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens vorgetragen werden. Dies ergibt sich aus Art. 31 der Istanbul-Konvention, wonach gewalttätige Vorfälle durch die Gerichte bei der Entscheidungsfindung bei Besuchs- und Sorgerechtsangelegenheiten betreffend der Kinder zu berücksichtigen sind. Liegt also häusliche Gewalt vor, die beispielsweise durch den Vater verursacht wird, dann sind gerichtlich im Rahmen des Sorge- und Umgangsrechts die ausreichenden Schutzmaßnahmen zu treffen, die gewährleisten, dass beispielsweise Umgänge nur in begleiteter Form stattfinden oder gänzlich auszusetzen sind, wenn dies dem Schutz der Kindesmutter und dem Kind dienlich ist.

Liegen Fälle der häuslichen Gewalt vor, dann darf das Gericht nicht die ablehnende Haltung der Mutter, die gleichzeitig Opfer häuslicher Gewalt geworden ist, gegenüber Umgängen mit dem gewalttätigen Kindesvater als mangelnde Kooperationsbereitschaft der Mutter gewertet werden.

Aus diesem Grund sind nach dieser Entscheidung und auf Grundlage der Istanbul-Konvention angehalten, in Fällen der häuslichen Gewalt diese bei Umgangs- und Sorgerechtsstreitigkeiten entsprechend zu werten und zu berücksichtigen.
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Beschwerde-Nr.: 25426/20, Urteil vom 10.11.2022, eingestellt am 15.05.2023