Keine notarielle Amtspflicht zur steuerrechtlich günstigeren Beratung
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat entschieden, dass ein Notar nicht verpflichtet ist, bei der Beurkundung eines Grundstücksübertragungsvertrags von sich aus auf eine steuerlich günstigere Vertragsgestaltung hinzuweisen oder eine solche zu empfehlen, wenn die Vertragsparteien bereits durch einen Steuerberater beraten werden und dem Notar keine konkreten Vorstellungen für eine steuerlich motivierte Vertragsgestaltung mitgeteilt werden.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Vater der Zeugin L. sein Grundvermögen im Jahr 2013 auf diese übertragen und sich dabei ein Nießbrauchs- und Wohnrecht vorbehalten. Die übernommenen Grundschulden wurden nicht mit den gesicherten Verbindlichkeiten übernommen, sodass L. nach dem Tod des Vaters eine erhöhte Schenkungsteuer zahlen musste. Die Klägerin, der die Ansprüche von L. abgetreten wurden, verlangte daraufhin Schadensersatz vom beurkundenden Notar. Sie argumentierte, der Notar hätte auf eine Vertragsklausel hinwirken müssen, wonach L. nach dem Tod des Vaters die persönliche Haftung für die Darlehen übernimmt, um so die Steuerlast zu senken. Zudem habe der Notar nicht ausreichend über die steuerlichen Risiken der gewählten Vertragsgestaltung aufgeklärt.

Das OLG Hamm wies die Berufung der Klägerin zurück und bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Es stellte klar, dass der Notar seine Amtspflichten nicht verletzt habe. Nach § 17 Abs. 1 BeurkG müsse der Notar zwar den Willen der Beteiligten erforschen und sie über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren, jedoch sei er nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte steuerlich zu beraten oder auf steueroptimierende Vertragsgestaltungen hinzuweisen, insbesondere wenn die Beteiligten durch einen Steuerberater begleitet werden. Eine Pflicht zur Nachfrage bestehe nur, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Parteien eine bestimmte Regelung wünschen oder übersehen haben könnten. Solche Anhaltspunkte sah das Gericht im vorliegenden Fall nicht.

Auch eine allgemeine Betreuungspflicht nach § 14 Abs. 1 BNotO sei nicht verletzt worden. Ein Notar müsse nur dann auf nicht bedachte Folgen hinweisen, wenn er konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Interessen eines Beteiligten habe und diese erkennen könne oder müsse. Im konkreten Fall durfte der Notar darauf vertrauen, dass steuerliche Fragen vom Steuerberater der Parteien geprüft und berücksichtigt wurden.

Das OLG Hamm betont, dass steuerrechtliche Beratung grundsätzlich nicht zu den Amtspflichten des Notars bei der Beurkundung von Grundstücksübertragungen gehört, es sei denn, dies ist ausdrücklich vereinbart. Die Klage auf Schadensersatz blieb daher erfolglos. Das Urteil verdeutlicht die Grenzen notarieller Beratungspflichten und weist darauf hin, dass die Verantwortung für steueroptimierte Vertragsgestaltungen bei den steuerlichen Beratern der Parteien liegt.
OLG Hamm, Az.: Az. 11 U 71/23, Urteil vom 29.05.2024, eingestellt am 01.06.2025