Gemeinschaftliche Testamente werden in der Regel vollständig eröffnet
Der Beschluss des OLG Zweibrücken vom 16. Mai 2024 behandelt die Frage, ob ein gemeinschaftliches Testament von Eheleuten nach dem Tod des Erstverstorbenen vollständig eröffnet werden muss, wenn die Verfügungen in der sogenannten „Wir-Form“ abgefasst sind. Im zugrunde liegenden Fall hatten die Eheleute ein notarielles gemeinschaftliches Testament errichtet und in amtliche Verwahrung gegeben. Nach dem Tod der Ehefrau beantragte der überlebende Ehemann beim Nachlassgericht, das Testament nur teilweise – ohne eine bestimmte Verfügung (Nr. 3) – zu eröffnen. Das Nachlassgericht kündigte jedoch an, das gesamte Testament vollständig zu eröffnen und bekannt zu geben. Gegen diese Entscheidung legte der Ehemann Beschwerde ein, blieb damit jedoch erfolglos.

Das OLG Zweibrücken bestätigte, dass die Beschwerde zwar zulässig sei, da die Entscheidung des Nachlassgerichts wegen der möglichen Rechtsbeeinträchtigung wie eine Endentscheidung zu behandeln sei. In der Sache selbst folgte das Gericht jedoch der Auffassung des Nachlassgerichts, dass das gemeinschaftliche Testament nach dem Tod eines Ehegatten grundsätzlich vollständig zu eröffnen ist. Dies ergibt sich aus § 248 Abs. 1 FamFG, wonach das Nachlassgericht ein in seiner Verwahrung befindliches Testament nach Kenntnis vom Tod des Erblassers zu eröffnen hat. Die Eröffnung bezieht sich grundsätzlich auf das gesamte Schriftstück, unabhängig davon, ob einzelne Verfügungen wirksam sind.

Eine Ausnahme sieht § 349 Abs. 1 FamFG nur dann vor, wenn die Verfügungen des überlebenden Ehegatten von denen des Erstverstorbenen „trennbar“ sind. Trennbarkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung jedoch nicht vor, wenn die Verfügungen in der „Wir-Form“ formuliert oder mit Wendungen wie „der Überlebende von uns“ eingeleitet sind. In solchen Fällen handelt es sich um untrennbare gemeinschaftliche Verfügungen, an denen beide Ehegatten mitgewirkt haben. Das Geheimhaltungsinteresse des Überlebenden tritt zurück, da die Verfügungen nicht nur ihn betreffen, sondern auch den Erstverstorbenen.

Auch das im Testament eingeräumte Recht des Überlebenden, bestimmte Verfügungen zu ändern, steht der vollständigen Eröffnung nicht entgegen. Die Bekanntgabe nimmt dem Überlebenden dieses Recht nicht und setzt für andere Beteiligte keine Fristen in Gang, etwa für die Ausschlagung oder Anfechtung im Hinblick auf die Verfügungen des Überlebenden nach dessen Tod.

Das Gericht betont, dass Ehegatten, die eine teilweise Geheimhaltung wünschen, dies durch eine entsprechend getrennte Formulierung ihrer Verfügungen klarstellen müssen. Andernfalls ist bei gemeinschaftlichen Testamenten in der „Wir-Form“ stets eine vollständige Eröffnung nach dem Tod des Erstversterbenden vorzunehmen.
OLG Zweibrücken, Az.: 8 W 13/24, Beschluss vom 16.05.2024, eigestellt am 15.07.2025