Zu den Wirkungen der Testamentsrücknahme aus der amtlichen Verwahrung
Ein Testament kann bei dem Nachlassgericht in die sogenannte amtliche Verwahrung genommen werden. Vorteil der amtlichen Verwahrung ist, dass das Testament dann nicht abhandenkommen kann, so dass dies ein Sicherungsmechanismus ist. Der Erblasser hat aber die Möglichkeit, dieses Testament aus der amtlichen Verwahrung zurückzunehmen, die Rechtswirkung ist dann, dass das Testament als aufgehoben gilt. Diese Aufhebungswirkung ist eine Fiktion des rechtlichen Willens des Erblassers, dass er damit eine Verfügung von Todes wegen vornimmt, nämlich die Aufhebung des bestehenden Testaments. Befinden sich mehrere Testamente des Erblassers in der amtlichen Verwahrung und wird nur ein Testament zurückgenommen, so stellt sich die Frage, ob das andere noch in der amtlichen Verwahrung sich befindende Testament seine Gültigkeit hat.

Mit dieser Fragestellung hatte sich das Oberlandesgericht Frankfurt/Main in einer Entscheidung auseinanderzusetzen. Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main kommt zutreffend zu dem Entschluss, dass lediglich das Testament widerrufen wird, das aus der amtlichen Verwahrung genommen wird. Hier kann kein Rückschluss darauf genommen werden, dass die weiteren, in amtlicher Verwahrung sich befindenden Testamente ebenfalls widerrufen werden. Nimmt jedoch ein nicht zurückgenommenes Testament Bezug auf ein aus der amtlichen Verwahrung genommenes und damit widerrufenes Testament, so ist mittels Auslegung zu klären, ob dieses Testament dann noch eigenständige Verfügungen von Todes wegen enthält, die testamentarisch die Erbfolge regeln. Dies ist eine Entscheidung des Einzelfalls und ist an jedem Fall zu prüfen, der gleichgelagert ist.
OLG Frankfurt/Main, Az.: 20 W 9/20, Beschluss vom 20.07.2021, eingestellt am 30.06.2022