Zur Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners und der Zurechnung von einem fiktiven Einkommen
§ 1603 Abs. 2 BGB legt den Eltern die Verpflichtung auf, ihre eigene Arbeitskraft einzusetzen, um die Unterhaltspflichten, die gegenüber den eigenen Kindern bestehen, zu erfüllen. Aus dieser Vorschrift lässt sich deshalb ableiten, dass es für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht nur auf das tatsächlich durch den jeweiligen Schuldner erzielte Einkommen ankommt und dies zu berücksichtigen ist, es können auch sogenannte fiktive Einkünfte berücksichtigt werden, also solche Einkünfte, die zu erzielen wären, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm zumutbare und mögliche Erwerbstätigkeit nicht vornimmt, die er aber ausüben könnte. Für die Zurechnung fiktiver Einkünfte ist es erforderlich, dass fehlende subjektive Erwerbsbemühungen vorliegen und der Unterhaltspflichtige diese Einkünfte objektiv auch tatsächlich erzielen könnte. Das tatsächliche Erzielen der Einkünfte hängt von den persönlichen Qualifikationen, wie Alter, Erwerbsbiographie, Gesundheit oder beruflicher Qualifikationen des Unterhaltsschuldners nebst dem Vorhandensein von Arbeitsstellungen, die er ausüben könnte ab. Dies hat bereits das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2012 entschieden, Bundesverfassungsgericht FamRZ 2012, 1283, und auch der Bundesgerichtshof hat bereits festgestellt, dass der Unterhaltsschuldner zur Erfüllung der Unterhaltspflicht auch Gelegenheitsarbeiten oder solche Tätigkeiten aufnehmen müsste, die berufsfremd seien und auch unter der gewöhnten Lebensstellung des Unterhaltsschuldners liegen würden, Bundesgerichtshof, FamRZ 2013, 278. Auch Nebentätigkeiten kommen in Betracht. Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann ist dem Unterhaltsschuldner ein sogenanntes fiktives Einkommen anzurechnen und anhand dessen wird der Unterhaltsanspruch ermittelt.
OLG Bremen, Az.: 4 UF 33/22, Hinweisbeschluss vom 29.08.2022, eingestellt am 15.12.2023